Von 21. September 2018 – 6. Jänner 2019 zeigt die ALBERTINA die erste umfassende Präsentation von Claude Monet (1840-1926) seit über 20 Jahren in Österreich. Unter den 100 Gemälden finden sich bedeutende Leihgaben aus über 40 internationalen Museen und Privatsammlungen wie dem Musée d’Orsay Paris, dem Museum of Fine Arts Boston, der National Gallery London, dem National Museum of Western Art Tokio oder dem Pushkin Museum Moskau. Mit großzügiger Unterstützung des Musée Marmottan Monet, Paris realisiert, beleuchtet die Retrospektive Monets Werdegang vom Realismus über den Impressionismus bis hin zu einer Malweise, bei der sich die Farben und das Licht allmählich vom Gegenstand lösen und das Motiv von der Naturbeobachtung unabhängig wird. Mit seinem Spätwerk bereitet Monet der Malerei des abstrakten Expressionismus den Boden.

Monet als „Meister des Lichts“
„Ein Panorama aus Wasser und Seerosen, aus Licht und Himmel“, hielt der Sammler René Gimpel am 19. August 1910 in seinem Tagebuch fest, nachdem er im Beisein des Kunsthändlers Georges Bernheim Claude Monet in Giverny einen Besuch abgestattet und dort „ein Dutzend Leinwände, im Kreis auf den Boden gestellt, Seite an Seite, alle etwa zwei Meter lang und einen Meter zwanzig hoch“ gesehen hatte. Diese rencontre mit Claude Monet fand in einem hohen luft- und lichterfüllten Atelier statt, das der Maler auf seinem Grundstück in Giverny hatte errichten lassen, um an seinen Ideen für die sogenannten Grandes Décorations, die er dem französischen Staat zum Geschenk machte, zu arbeiten. Was Gimpel zu Gesicht bekam, waren kleinere, leicht bewegbare Leinwände, die Vorarbeiten zu diesem Unterfangen darstellten. Monet, der ursprünglich eine kreisrunde Anbringung seiner Seerosenteichbilder im Hotel Biron in Paris vorsah, hatte sie entsprechend angeordnet. Sein Plan wurde jedoch nach 1920 zugunsten einer Realisierung in Ovalräumen der Orangerie fallen gelassen. Bei dem Bild „Der Seerosenteich“ der Sammlung Batliner in der ALBERTINA handelt es sich um eine dieser Vorarbeiten, von denen einige noch zu Monets Lebzeiten verkauft wurden. Nach dem Tod von Michel Monet, dem Sohn und Universalerben Claude Monets, erhielt die Académie des Beaux-Arts in Paris den Nachlass des Impressionisten. Fast 90 Gemälde, von denen Claude Monet viele wie seinen Augapfel gehütet hatte, sollten als „die größte und schönste Monet-Kollektion im Musée Marmottan untergebracht werden“: So bestimmte Michel Monet in seinem Letzten Willen. Es ist daher eine glückliche Fügung, dass die ALBERTINA im Musée Marmottan Monet einen Partner gefunden hat, der 40 seiner wunderbarsten Gemälde für diese Monet-Ausstellung zur Verfügung gestellt hat. Für kurze Zeit findet sich „Der Seerosenteich“ der ALBERTINA inmitten jener Bilder wieder, in deren Verbund er einst entstanden ist. Mit zwei weiteren Werken der Sammlung Batliner, die Monet in Vétheuil und Giverny malte, sowie über 50 Gemälden von rund 40 internationalen institutionellen und privaten Leihgebern zur Verfügung gestellten Werken zeichnet die Schau Monets Leben und Wirken mit üppigen und farbenfrohen, doch bisweilen auch chromatisch verblüffend zurückhaltenden Bildern nach.

Wertvolle internationale Leihgaben
Plakatsujet ist das monumentale Gemälde „Junge Mädchen in einem Boot“, das Monet 1887 auf dem Wasser malt – die Leihgabe stammt vom National Museum of Western Art in Tokio. Aus dem Moskauer Pushkin Museum kommt eine der beiden Fassungen des „Boulevard des Capucines“ (1873), eine extreme Perspektive von oben auf das belebteste Geschäftsviertel von Paris, die das Großstadt-Gewimmel, das Flirren und die Bewegung der Stadt nachvollziehen lässt. Genau wie die Natur in Monets Landschaften ist auch die Straße ständig in Bewegung und verändert sich je nach Tageszeit, Stimmung und Wetterlage. Unter den beeindruckenden, oft großformatigen Leihgaben befinden sich außerdem der „Getreideschober in der Sonne“ (1891, Kunsthaus Zürich), den Kandinsky in einer Ausstellung über den französischen Impressionismus in Moskau bewundert. Kandinsky hat trotz seiner Begeisterung für das Gemälde Schwierigkeiten, das Motiv zu erkennen und ahnt so Monets Emanzipation der Farben und die abstrakte Malerei voraus. Weitere Highlights sind die frühen Winterbilder, darunter das Porträt „Madame Monet mit rotem Kopftuch“ (1873, Cleveland Museum of Art, Ohio/USA), zwei Kathedralen aus einer umfangreichen Serie, die er in Rouen von diesem gotischen Nationaldenkmal anfertigt, und die selbst zur impressionistischen Ikone werden und mehrere Gemälde des Flusses Creuse, die unter widrigsten Wetterbedingungen im Massif Central entstehen und kompositorisch und in ihrer Farbigkeit wegweisend sind. Am Ende seines Lebens, als er mit starken Sehschwierigkeiten kämpft, beschäftigt Monet sich in seinem Garten in Giverny mit der „Japanischen Brücke“ (1918-1924) und seinem „Haus in den Rosen“.

Wasser als Inspirationsquelle
„Die Welt im Fluss“: So lautet der vielsagende Untertitel der Ausstellung. Nach über 20 Jahren ist sie die erste groß angelegte Retrospektive des Künstlers in Wien. Die Seine war dem Pleinairisten ein Zuhause – sowohl hinsichtlich seiner verschiedenen Wohnorte als auch auf seinem Atelierboot, auf dem er ungeachtet der Wetterbedingungen die Natur und das Leben auf dem Flusslauf und an seinen Ufern mit dem Pinsel zu erhaschen suchte. Anhand von 100 Gemälden reisen die Ausstellungsbesucher_innen auf den Spuren des bedeutendsten Impressionisten die Seine entlang und halten an seinen Lebensstationen inne: in Paris, wo Monet das moderne, pulsierende Leben mit flimmerndem Licht einfing; in Argenteuil, wo er Natur und Technik miteinander in Einklang brachte; in Vétheuil, wohin er sich angesichts seiner prekären finanziellen und familiären Situation in die Einsamkeit zurückzog, um sich allein der unberührten und ursprünglichen Natur zu widmen; und schließlich in Giverny, wo er zu einem neuen ästhetischen Konzept fand, das den Impressionismus aus seiner Krise führte und der modernen Malerei den Weg bereitete. Der Fluss steht zudem für die vielen Aspekte, die Monets Schaffen ausmachen: die fließende Welt des japanischen Farbholzschnitts, der Monet beeinflusst hat; das Ineinanderfließen von Wasser, Dunst, Nebel, Schnee und Eis; die sich mit Wetter und Licht verändernden Farben; die Spiegelungen auf der Wasseroberfläche. Die Besucher_innen begleiten Monet auch an die Küsten von Normandie und Bretagne, nach London und Norwegen; sei es, um seine Anfänge in Le Havre und seine wiederholten Besuche an der Atlantikküste nachzuempfinden; sei es, um mit dem Künstler Orte aufzusuchen, die ihm neue Inspirationen für seine Malerei versprachen.

Die Welt im Fluss
Claude Monet ist fünfzig Jahre alt, als sich endlich die ersten Erfolge einstellen. Dabei ist er für seine Freunde von Beginn an das unangefochtene Haupt des „Impressionismus“, jener Bewegung, die ihre Abspaltung vom offiziellen Salon selbstbewusst unter ihrem Spottnamen inszeniert. Noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird Monet zu einer lebenden Legende und als Gigant verehrt und gefeiert. Bis heute erklärt sich Monets ungebrochene Popularität damit, dass vielen seine Malerei als die letzte allgemein verständliche Ausdrucksform der Kunst gilt. Zu leicht vergisst man über ihrer scheinbaren Selbstverständlichkeit, wie sehr sie die Sehgewohnheiten von Generationen verändert hat. Monet bringt das Licht auf die Leinwand und erteilt der akademischen Malerei eine radikale Absage: Die zufällig wirkenden Bildausschnitte, der skizzenhafte Pinselstrich und das Fixieren eines flüchtigen Augenblicks widersprechen der Vorstellung eines vollendeten, fertigen Bildes. Monet entnimmt die Motive seiner Kunst nicht der Vergangenheit, sondern findet sie in seiner unmittelbaren Gegenwart. Als Zeitgenosse hält er das lärmende Treiben auf den modernen Boulevards fest, den bescheidenen Zauber der Pariser Vororte mit ihren Fabrikschloten, Brücken und der sonntäglichen Freizeitstimmung an den Ufern der Seine. Die wechselnden Lichtstimmungen malt der große Freilichtmaler unmittelbar vor Ort, nicht in der Quarantänestation des Ateliers. Hundert Gemälde zeichnen in dieser Retrospektive die Entwicklung Monets nach: von den Anfängen in Paris über den Aufenthalt in Argenteuil bis zu den Jahren bitterer Armut im abgeschiedenen Vétheuil, wo einige der schönster Winter- und Frühlingslandschaften entstehen. Es folgen die Zeit des Triumphs, die Serien der 1890er-Jahre: die Heuhaufen, die Kathedrale von Rouen und mit den Creuse-Landschaften die erste Serie, die Monet von ein und demselben Standort aus unter wechselnden Lichtbedingungen malt. Die letzten dreißig Jahre seines Lebens richtet Monet den Blick aus der Nähe auf die üppige Natur seines Gartens in Giverny: den Seerosenteich, die japanische Brücke und die Rosenallee.

Argenteuil: 1871 bis 1878
Wie der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871 eine Wende in der französischen Geschichte – von der Monarchie zur Dritten Republik – bedeutet, so stellen diese Jahre auch für Monet eine Änderung der Lebensumstände dar: Noch vor Kriegsausbruch heiratet er Camille, seine langjährige Partnerin und Mutter seines Sohnes; der Maler flieht mit seiner jungen Familie vor dem Einrückungsbefehl nach London, wo er künstlerisch durch die Auseinandersetzung mit James Abbott McNeill Whistler, John Constable und William Turners Spätwerk befruchtet wird. In London bahnt sich die Jahrzehnte währende Zusammenarbeit mit Monets wichtigstem Galeristen, Paul Durand-Ruel, an. Monet erhält in diesen Jahren das für seine Unabhängigkeit wichtige Erbe seines jüngst verstorbenen Vaters und seiner wohlhabenden Tante. Nach der Rückkehr aus London lernt Monet auch den Kaufhausmagnaten Ernest Hoschedé, einen großen Förderer, kennen. Der Künstler lässt sich in Argenteuil nieder, wenige Kilometer außerhalb von Paris, wo er weiterhin ein Atelier hat. In dieser Schaffensphase beobachtet er den Übergang von der Metropole zum Land, die Veränderungen durch die Industrialisierung und den Eisenbahnverkehr mit seiner Infrastruktur in Form von Bahnhöfen und Brücken. Neben intimen Genreporträts seiner Frau Camille führt Monet seine neue Landschaftsinterpretation zu einem ersten Höhepunkt. In Monets Zeit in Argenteuil fällt 1874 auch die erste Ausstellung der ab nun als „Impressionisten“ verspotteten Freilichtmaler des modernen Lebens. Monets Bilder dieser Jahre zeigen Boote auf der Seine, eine im tiefen Winter in den Bahnhof einfahrende Eisenbahn; eine fragile Brückenkonstruktion, die der Künstler von seinem selbst entworfenen Atelierboot aus mitten auf der Seine malt; Winterbilder, in denen er jede Temperatur, von klirrender Kälte bis zum Tauwetter, in feinsten Nuancen festhält. In Argenteuil adoptiert Monet auch die Errungenschaft der flächigen Bildanlage von den massenhaft in Paris gehandelten japanischen Holzschnitten.

Argenteuil: Die Wiege des Impressionismus
Im Jahr 1871 kehrt Monet aus dem Londoner Exil über Holland nach Frankreich zurück und lässt sich in Argenteuil nieder. Ob in Holland an der Zaan oder in Frankreich an der Seine: Der Fluss rückt nun in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit. Argenteuil liegt unweit von Paris an der Seine, inmitten von Spargelfeldern und Weingärten; Industrieanlagen wechseln sich mit Uferpromenaden ab; eine Straßen- und eine Eisenbahnbrücke überqueren den Fluss. Das Wasser reflektiert den Dampf von in der Ferne rauchenden Fabrikschornsteinen, die Brücken und eine Bootsvermietung.
Auf Monets Bildern entwickeln die dieses Spiegelbild wiedergebenden Pinselstriche ein Eigenleben und lösen sich teilweise vom Gegenständlichen; die Unschärfe des Spiegelbilds gibt Monet die Möglichkeit, die skizzenhafte Malweise weiterzutreiben. Zudem gewinnt sein Garten für Monet jetzt an Bedeutung. Trotz künftiger Umzüge wird er fortan nicht mehr auf einen solchen verzichten. Besteht der Garten in Argenteuil noch unabhängig von der Malerei, so wird der Garten in Giverny von Monet später geschaffen, um gemalt zu werden. Die Gartengestaltung ist der Malerei untergeordnet.

Vétheuil: 1878 bis 1881
Im Januar 1878 verlässt Monet Argenteuil wegen drückender Schulden. Er muss den nahe bei Paris gelegenen und durch die Bahn an die Hauptstadt angeschlossenen Vorort gegen das abgeschiedene Dorf Vétheuil tauschen. Nachdem Monets Gönner Ernest Hoschedé geschäftlich ruiniert ist, fällt auch dessen Unterstützung des aufgrund seiner Erneuerung der Landschaftsmalerei immer noch umstrittenen Künstlers weg. Im März bringt Monets Frau Camille den zweiten Sohn zur Welt. Alice, die Frau Ernest Hoschedés, folgt ihrem bankrotten Mann nicht nach Paris, sondern zieht mit ihren sechs Kindern zu den Monets nach Vétheuil. Die schwer kranke Camille verstirbt im Jahr darauf. Die Bilder des verschneiten Vétheuil und des katastrophalen Eisgangs der Seine im Winter 1878/1879 strahlen jene tiefe Melancholie und Tristesse eines von Misserfolg und persönlichem Unglück gezeichneten Lebens aus. Allein die Frühlings- und Sommerbilder, die Monet in Vétheuil in diesen Jahren großer Armut malt, verraten nichts von der persönlichen Lage des Malers, der unter seinen Freunden bereits als unumstrittenes Haupt der Impressionisten angesehen wird. Monet ist viel zu sehr Auge, als dass die bedrückende Situation seinen unbestechlichen Blick auf die Natur trüben würde. 1883 übersiedeln Claude Monet und Alice Hoschedé mit ihren acht Kindern nach Giverny. Das kleine angemietete Presshaus kann der Künstler nach einer bewegten Reisezeit und den ersten großen Erfolgen mit seinen Serien der Creuse und der Kathedrale von Rouen 1890 kaufen. Nach Ernest Hoschedés Tod im März 1891 heiraten Monet und Alice im Jahr darauf.

Das Schauspiel der Natur – Reisen der 1880er-Jahre
In den 1880er-Jahren dehnt Monet seine Reisen auf ganz Frankreich aus. Er malt an den spektakulären Küsten der Normandie, des Mittelmeers und der Bretagne. Hat Monet bis dahin berühmte Sehenswürdigkeiten als Bildmotive vermieden, malt er in Étretat erstmals eines der attraktivsten Naturdenkmäler Frankreichs: die alleinstehende Felsnadel mit der Felsenbrücke von Aval, die vor ihm bereits Jean-Baptiste Camille Corot und Gustave Courbet verewigt haben. Wie in Vétheuil und Argenteuil zeigt sich Monet an der wechselnden Erscheinung der Motive unter den Bedingungen des Wetters, der Tages- und Jahreszeiten interessiert. Er studiert die Stadien des Sonnenuntergangs, während die ferne Küste im Gegenlicht zunehmend zu einem Block gerinnt. Mit lockerem Pinselstrich nähert er sich dem ästhetisch schwer fassbaren Augenblick. Während Monet im folgenden Jahrzehnt die Motive seiner bekannten Serien – die Fassade der Kathedrale von Rouen, Heuhaufen, das Londoner Parlament oder die Hügel über der Creuse – von ein und demselben Standpunkt aus beobachtet und deren Veränderung im steten Wandel des Lichts und der Atmosphäre registriert, betrachtet er an der Küste der Normandie seine Bildmotive noch von verschiedenen Standpunkten: aus der Ferne wie aus der Nähe. Noch umkreist Monet den Bildgegenstand und malt ihn aus unterschiedlichen Perspektiven.

Impression und Vollendung – Der Skandal des Impressionismus
Die grüne Färbung des tiefen Wassers, der purpurne Glanz des nassen Sandes, der Tanz Tausender Lichter der langsam ins Meer sinkenden Sonne – nichts entgeht dem Auge Monets. Es beobachtet auch, wie das helle Morgenlicht die Farbkontraste aufweicht und die Küste in ein gleichmäßiges Licht taucht. Während seiner Arbeit an der französischen Küste verselbstständigt Monet die schnell gemalte Skizze, die Sprezzatura und das Non-Finito, bis die Unterscheidung zwischen Skizze und vollständig ausgeführtem Gemälde immer mehr verschwimmt. Monets Galerist Durand-Ruel lehnt allzu skizzenhafte Gemälde als unverkäuflich ab. Der Maler beteuert hingegen, ohnehin nur vollendete Gemälde abzuliefern. Der Skandal der Impressionisten war eng verbunden mit dem Vorwurf des Nicht-Fertigen. Obwohl die Ölskizze als eigenständige Kunstgattung längst Liebhaber gefunden hat, bestand bei Monet der Skandal im Anspruch, dass die scheinbare skizzenhafte Vorläufigkeit das fertige Kunstwerk repräsentiere. Die Schnelligkeit der Malerei wurde für Monet geradezu zum Beleg der Wahrhaftigkeit, mit welcher der Augenblick, die momentane Stimmung und Atmosphäre, mit der gebotenen Spontaneität und Unmittelbarkeit festgehalten wird.

Das Tal der Creuse
1889 reist Monet mit Freunden nach Fresselines, einem Ort auf dem Hochplateau über dem Zusammenfluss der Quellflüsse der Creuse, den eine düster-melancholische Landschaft umgibt. Hier entsteht zum ersten Mal eine Serie von Bildern, die nicht mehr eine Folge von unterschiedlichen Ansichten desselben Ortes darstellen: Monet gibt die Darstellung eines Motivs von verschiedenen Standpunkten im Raum zugunsten einer Darstellung desselben Motivs zu verschiedenen Zeiten auf. Fast notwendigerweise sind diese und die folgenden Serien – der Pappeln, der Getreideschober und der Kathedrale von Rouen – menschenleer: Die Beobachtung eines Motivs zu verschiedenen Zeiten erfordert gleichbleibende Umgebungsbedingungen. Zeitablauf und Veränderung vollziehen sich in diesen Bildern, ohne dass sich der Maler im Wechsel des Lichts und der Farben bewegt. Monet malt das Tal der Creuse am Morgen, zu Mittag, bei feuchtkaltem Wetter, im Sonnenschein und im Abendlicht. Die Unterschiede der Landschaft – oder später der Fassade der Kathedrale von Rouen – manifestieren sich in immer kleineren Zeiteinheiten, sodass Monet oft an drei bis vier Leinwänden gleichzeitig arbeitet, um auf die Veränderung des Sonnenstands und der Atmosphäre reagieren zu können.

Das Alterswerk in Giverny
Im Jahr 1883 zieht Monet nach Giverny, einem kleinen Ort an der Seine, 70 Kilometer westlich von Paris. Er mietet ein altes Presshaus mit Obstgarten, das er mit seiner Lebensgefährtin Alice und den Kindern bewohnt. Endlich vom lange ausgebliebenen Erfolg gekrönt, kann der Künstler das immer größer werdende Anwesen 1890 erwerben. Hier arbeitet Monet auch an zwei großen Panoramen der schon von den Zeitgenossen bewunderten Gartenanlagen von Giverny, den Grandes Décorations. Monet wird sie nach dem Ersten Weltkrieg dem französischen Staat zum Geschenk machen. Politische Ereignisse wie der Korruptionsskandal um die Errichtung des Panamakanals (1892) und die Staatskrise der Dreyfus-Affäre (ab 1894) hinterlassen in Monets Kunst ebenso wenige Spuren wie persönliche Schicksalsschläge: Vor und nach der Jahrhundertwende sterben innerhalb weniger Jahre Monets Stieftochter, seine zweite Frau Alice und sein Sohn Jean. Als ob Monet nur mehr für sich selbst arbeiten würde, widmet er sich mit einer frappierenden Ausschließlichkeit nur mehr der Farbenpracht seines privaten Refugiums. Während der junge Maler noch bei jedem Wetter durch das Land gezogen ist, um seine Motive aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen, malt der fünfzigjährige Monet in den 1890er-Jahren seine berühmten Serien: Variationen eines Motivs, das er von einem einzigen Standpunkt aus unter den wechselnden Bedingungen des Lichts und des Wetters darstellt. Im Alter widmet sich Monet schließlich in Giverny – an einem einzigen Ort – seinem opulenten Blumengarten und der Rosenallee, den exotischen Weiden, der japanischen Brücke mit den Glyzinien und dem berühmten Seerosenteich. In diesem inhaltlich, kompositionell und malerisch geradezu revolutionären Alterswerk lässt sich Monet immer mehr von seinen inneren Empfindungen leiten, wozu auch seine durch den Grauen Star nachlassende Sehkraft beiträgt. Die Interpretation von Rosenallee und japanischer Brücke als ausweglosem Tunnel drückt das Bedürfnis des über achtzigjährigen Malers nach Abschirmung von der Außenwelt ebenso aus, wie diese melancholische Deutung der Natur ein sich dem Ende zuneigendes Leben widerspiegelt. Dennoch gibt Monet mit diesem dunklen Schlusswort seiner Malerei noch einmal eine Wende, die in ihrer radikalen Modernität erst Jahrzehnte nach dem Tod des großen Freilichtmalers noch Früchte tragen wird.

Monet, Schöpfer und Maler seines Gartens
Der über 80-jährige Monet ist fast blind, als er die Serie der Rosenallee malt. So wie Beethoven mit zunehmendem Gehörverlust sich nur noch auf sein inneres Ohr verlassen hat, greift Monet auf seine Erfahrung zurück und schafft zum letzten Mal eine neue, eine verdüsterte Bildwelt. Er sieht nicht mehr das reiche Farbspektrum der Natur und nicht mehr die Buntheit seiner Palette. Wenn es im Sommer unter dem Glasdach des Ateliers heiß wird, malt Monet im kühlen Garten die japanische Brücke und die Rosenallee. Die hölzerne Brücke und die Eisenspaliere der Kletterrosen teilen den hohen Bogen, der diesen Bildern das Grundgerüst schenkt, auf dem sich die wuchernden Farblinien in Schlingpflanzen verwandeln. Monet hebt die Blumen in die Luft, um sie schwerelos schweben zu lassen. Ihn interessiert die „Entmaterialisierung der Blumen und Pflanzen“. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wird die radikale Modernität dieser letzten Schaffensphase Monets erkannt und für Malerinnen wie Joan Mitchell zum Vorbild und Maßstab.

Die japanische Brücke (1918-1926)
Nach dem Ende des Großen Kriegs arbeitet Monet an zwei Serien, die alles übersteigen, was er bis dahin gemalt hat: Der Hauptmeister des Impressionismus und der Freilichtmalerei löst sich in diesen letzten Serien der japanischen Brücke und der Rosenallee vom Naturvorbild. Er schafft mittels der Eigenmächtigkeit der expressiven Farblinien Symbolbilder der opulenten Natur und ihres unaufhaltsamen Wucherns. Nur mehr an der Verdichtung der dunklen Farbschlingen ist die einem fast abstrakten, flachen Bogen gewichene japanische Brücke zu erahnen. Auch die jeweils dominierende Farbwelt von Teich und Himmel verdankt sich nicht mehr der unmittelbaren Beobachtung, sondern einer willkürlichen Setzung durch den Künstler, dessen Augenkrankheit die Autonomie der Bildmittel noch verstärkt haben dürfte.
Zeitlebens liebt Monet das Wachsen und Werden der Natur, nicht ihr Verblühen. Stets muss der Teich im Garden gereinigt werden, um den herabhängenden Weiden als blanker Spiegel zu dienen. In den letzten Serien der japanischen Brücke und der Rosenallee offenbart sich eine andere Farbwelt: die welkender Blumen. Es sind die Herbstfarben eines alten Künstlers, der 1899 seine Stieftochter Suzanne, 1911 seine zweite Frau Alice und 1914 seinen Sohn Jean verloren hat. Diese späten Kraftlinien und Farbbögen werden zum Quell einer Malergeneration, die erst geboren wird, als Monet nicht mehr ist. Claude Monet stirbt am 6. Dezember 1926 im Alter von 86 Jahren.

Biografie
1840 wird Claude Monet in Paris geboren. Seine Jugend verbringt er in Le Havre. Dem siebenjährigen Wehrdienst in Algerien entkommt Monet nach zwei Jahren durch die Bezahlung eines Ersatzmannes. Bis zum Tod seines Vaters 1871 lebt Monet von der Unterstützung seiner Familie. Während seines Studiums in Pariser Ateliers trifft er seine späteren Freunde Renoir, Sisley und Bazille. 1867 bringt Camille Doncieux, Monets Geliebte und Modell, deren gemeinsamen Sohn Jean zur Welt. 1870 heiraten sie und Monet. Um der Einberufung zu entgehen, flüchtet Monet 1870 vor dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegs nach London. Monet ist fasziniert vom Dunst, Rauch und Nebel der Stadt an der Themse; er studiert das Werk John Constables und William Turners. 1871 kehrt er über die Niederlande nach Frankreich zurück, wo er sich für sieben Jahre in Argenteuil niederlässt, dem an der Seine gelegenen Vorort von Paris: Argenteuil wird zur Geburtsstätte des Impressionismus und Monet zum ungekrönten Haupt der „Impressionisten“, ein Spottname, den der Maler und seine Freunde 1874 anlässlich der ersten gemeinsamen Gruppenausstellung für ihre skizzenhafte Stimmungsmalerei erhalten. Wegen drückender Schulden übersiedelt Monet 1878 von Argenteuil nach Vétheuil, einem abgeschiedenen Dorf an der Seine. Im selben Jahr wird Monets zweiter Sohn, Michel, geboren. 1879 stirbt Camille nach einer missglückten Abtreibung. Alice Hoschedé, die Frau des ehemaligen Förderers Monets, zieht nach dessen Bankrott mit ihren sechs Kindern zu Monet. Erst 1892 – nach dem Tod ihres Mannes – werden Alice und Monet diese Beziehung durch Heirat legalisieren. In dieser schweren Lebensphase entstehen melancholische Bilder des verschneiten Vetheuil und des verheerenden Eisgangs 1880, aber auch sonnige Frühlingslandschaften. Immer tiefer verschuldet, muss Monet 1880 auch Vetheuil verlassen. 1883 mietet er ein kleines Presshaus in Giverny, das er 1890 erwerben kann. In den 1890er-Jahren schafft Monet jene großen Serien, die ihm endlich Erfolg und Ruhm bringen: die Creuse-Landschaften, die Heuschober und die Kathedrale von Rouen. Seine Leidenschaft gilt aber der Malerei in seinem Garten in Giverny, den er laufend vergrößert. Diese Bilder verraten nichts von den persönlichen Krisen des Malers, dem Tod seiner Stieftochter, seiner Frau 1911 und seines ersten Sohnes 1914. Auch die schweren Staatskrisen Frankreichs, selbst der Erste Weltkrieg, schlagen sich nicht in Monets weltabgewandtem Spätwerk nieder. Längst gilt er als lebende Legende und nationales Monument Frankreichs. Schwer sehbehindert durch einen Grauen Star taucht Monet in den letzten Lebensjahren seine Bilder in eine spätherbstliche Farbwelt. Diese düsteren, fast abstrakten Gemälde werden erst nach Monets Tod 1926 bekannt.
Programm
Öffentliche Führungen
Dezember 11:00 Uhr – 7., 8., 9., 14., 15., 16., 21., 22., 23., 25., 26., 28., 29., 30.
15:30 Uhr – 8., 9., 15., 16., 22., 23., 25., 26., 29., 30.
16:30 Uhr – 8., 9., 15., 16., 22., 23., 25., 26., 29., 30.
18:30 Uhr – 5., 7., 12., 14., 19., 21., 26., 28. – 18.30 Uhr
Frühstück & Führung
Französisches Frühstück im DO & CO, im Anschluss Besuch der Ausstellung Freitag bis Sonntag & feiertags, ab 9 Uhr, DO & CO Albertina
Frühstück, Eintritt und Führung um 11 Uhr, EUR 31, begrenzte Teilnehmernzahl, Anmeldung erforderlich, DO & CO Albertina
T: 01-532 96 69 512
E: albertina@doco.com
Audioguide
Deutsch, Englisch, Italienisch & Russisch
Programm für Kinder & Jugendliche
Begrenzte Teilnehmernzahl, Anmeldung erforderlich, werktags von 9 bis 16 Uhr
T: 01-53483-540
E: besucher@albertina.at
ermäßigter Eintritt für erwachsene Begleitpersonen EUR 6
Juniorführungen
Highlights der Ausstellung in einer Stunde | für Kinder und Jugendliche von 6-13 Jahren
Samstag | 20. Oktober, 10. & 24. November | 14.30 – 15.30 Uhr
Führungsbeitrag EUR 4 | ermäßigt für Artivity-Mitglieder EUR 3
Kunstworkshop: Impressionistisch wie Monet
Mini-Führung und intensiver Workshop für Kinder und Jugendliche von 6-13 Jahren
Sonntag, 16. Dezember, 10.30 – 13 Uhr
Atelierbeitrag EUR 21, ermäßigt für Artivity-Mitglieder EUR 18
Albertina
Albertinaplatz 1
1010 Wien
T: +43 (01) 534 83 0
E: info@albertina.at
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