Lady Bluetooth. Hedy Lamarr

Das Jüdische Museum Wien präsentiert ab 27. November 2019 die Lebensgeschichte der Hollywood-Ikone und genialen Erfinderin Hedy Lamarr. Die Ausstellung im Museum Judenplatz zeigt die facettenreiche Biographie und setzt einen besonderen Schwerpunkt auf ihre Lebensjahre in Wien und Berlin.

LAMARR_Rollenportrait zu The Heavenly Body, 1944 (c) MGM, Foto Laszlo Willinger
Rollenportrait zu The Heavenly Body, 1944 (c) MGM, Foto Laszlo Willinger

Ein filmreifes Leben
Hedy Lamarr zählte zu den strahlenden Hollywood-Stars. Lange Zeit unbekannt blieb jedoch, dass sie die Erfinderin des Frequenzsprungverfahrens war, auf dem Mobilfunk, Bluetooth und WLAN basieren. 1914 als Hedwig Kiesler in Wien geboren, wurde die Tochter eines jüdischen Bankdirektors aus dem Wiener Nobelbezirk Döbling von Max Reinhardt für das Theater entdeckt. 1933 avancierte sie durch eine Nacktszene im Film Ekstase zum internationalen Star. Im selben Jahr heiratete Hedwig Kiesler den einflussreichen Munitionsfabrikanten und Waffenhändler Fritz Mandl. Vor seinem herrischen Wesen und seiner Eifersucht flüchtete sie 1937 nach Hollywood.

Auf Anraten von Filmmogul Louis B. Mayer wurde ihr Name in Hedy Lamarr geändert. Gleich ihr erster Spielfilm Algiers machte sie weltberühmt. Nach dem Kriegseintritt der USA engagierte sie sich im Kampf gegen die Nazis, zu dem auch ihre mit dem Komponisten George Antheil ausgearbeitete Funkfernsteuerung für Torpedos beitragen sollte. Sie galt als schönste Frau der Welt und war insgesamt sechs Mal verheiratet. In späteren Jahren fiel die Diva durch Schönheitsoperationen und Ladendiebstahl auf und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Seit 2018 verleiht die Stadt Wien den Hedy-Lamarr-Preis an innovative Wissenschaftlerinnen. Hedy Lamarr starb 2000 und ist in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

LAMARR_Hedy Kiesler (c) Anthony Loder ArchiveVon Hedy Kiesler zu Hedy Lamarr
Schon im Alter von knapp 16 Jahren gelang es Hedy Kiesler, zum ersten Mal in einem Spielfilm auf der Kinoleinwand zu erscheinen. Bald nach ihrem Filmdebüt verließ sie die Schule und widmete sich ganz der Schauspielerei. Max Reinhardt, der zu ihren Förderern gezählt wird, soll sie das „schönste Mädchen der Welt“ genannt haben. In den Illustrierten wurde sie bereits als der kommende junge Schauspielstar gefeiert. Ihre erste Hauptrolle verkörperte Hedy Kiesler im tschechoslowakischen Spielfilm Ekstase, 1933. Durch eine nur wenige Sekunden dauernde Nacktszene sowie die Darstellung eines Orgasmus wurde die künstlerisch höchst avancierte Produktion zum „Skandalfilm“, mit dem ihr der Durchbruch in Europa gelang.
Im gleichen Jahr heiratete sie den um 13 Jahre älteren, reichen Munitionsfabrikaten und Waffenhändler Fritz Mandl. Er umgab seine junge Frau mit Reichtum, verbot ihr aber die Schauspielerei und hütete sie eifersüchtig. Mehrmals soll sie erfolglos versucht haben, ihrem besitzergreifenden Ehemann zu entkommen. Im September 1937 gelang ihr die Flucht aus ihrer Ehe.

Im August 1937 befanden sich die ehemalige Schauspielerin Hedy Mandl-Kiesler und der Hollywood-Filmproduzent Louis B. Mayer von Metro-Goldwyn-Mayer bei den Salzburger Festspielen. Ihn führten seine Geschäfte von Salzburg weiter nach England. Hedy folgte Mayer in der Hoffnung auf einen Vertrag, der sie nach Hollywood bringen sollte. Sie ging aufs Ganze und bestieg den Luxusdampfer Normandie, auf dem Mayer in die Vereinigten Staaten zurückfuhr. Während der Reise gelang es ihr nicht nur, einen guten Vertrag mit MGM auszuhandeln, sie erhielt auch einen neuen Künstlernamen: Hedy Lamarr.

LAMARR_Hedy Lamarr_Ankunft New York_4. Oktober 1937© Anthony Loder Archive
Hedy Lamarr_Ankunft New York_4. Oktober 1937© Anthony Loder Archive

Lady Bluetooth
Hedy Lamarr kann als Hobby-Erfinderin bezeichnet werden. Sie erfand sowohl kleine Helfer als auch komplexe Waffensysteme. Für ihren Freund Howard Hughes entwarf sie einen Flugzeugrumpf, der Schnelligkeit mit guten Flugeigenschaften vereinte. Mit George Antheil erfand sie eine störungssichere Funkfernsteuerung für Torpedos, die sie sich patentieren ließen, um sie der US-Navy zu schenken. Das dafür entwickelte Frequenzsprungverfahren gilt heute als Vorläufer für Drahtlostechnologien wie Bluetooth und Mobilfunk. Ihr Patent verschwand damals in den Schubladen und blieb für viele Jahre ungenutzt.

LAMARR_Hedwig und Mutter Gertrude Kiesler_1933 © Anthony Loder Archive
Hedwig und Mutter Gertrude Kiesler_1933 © Anthony Loder Archive

Eine Wienerin bleibt eine Wienerin
Neben ihren filmischen Rollen, spielte Hedy Lamarr häufig verschiedene Rollen in ihrem Privatleben. Von der ersten Rolle als höhere Tochter einer gutsituierten, assimilierten
jüdischen Familie in Wien-Döbling, zur Schauspiel-Ikone, schönste Frau der Welt, Hausfrau, Ehefrau, Mutter, Unternehmerin, Erfinderin bis hin zur Rolle der verletzlichen Diva, der Zurückgezogenen und aus österreichischer Perspektive besonders interessanten Rolle, der der Österreicherin bzw. Wienerin.
In zahlreichen Interviews sprach Hedy Lamarr davon, dass Wien ihre eigentliche Heimat sei und sie sich nicht als Amerikanerin, sondern als Österreicherin betrachtete. Tatsächlich kam sie aber nach ihrer Emigration 1937 nur noch ein einziges Mal in das Land ihrer Geburt zurück: Im Sommer 1955. Das österreichische Medienecho auf ihren Besuch zeigt, dass man stolz auf den aus Wien gebürtigen Weltstar war, und gerne hob man hervor, wie sehr sie immer noch eine Wienerin war. Auch, wenn sie in Interviews immer wieder davon sprach, wiederkommen zu wollen, so tat sie es doch nie wieder.

Judenplatz (c) Sonja Bachmayer
Judenplatz (c) Sonja Bachmayer

Museum Judenplatz
Im Jahr 2000 wurde das Museum Judenplatz als zweiter Standort des Jüdischen Museums Wien eröffnet und das Mahnmal für die Opfer der Schoa am Judenplatz enthüllt. In den unterirdischen Museumsräumlichkeiten sind das Fundament der mittelalterlichen Synagoge, Reste der Bima und ausgewählte Grabungsfunde zu sehen. Der Judenplatz ist für die Wiener jüdische Geschichte von außerordentlicher Bedeutung, da sich dort im Mittelalter das Zentrum jüdischen Lebens befand. Dies zeigt auch die Ausstellung über das Wiener Judentum im Mittelalter, die im November 2010 eröffnet wurde. Dieser zweite Standort des Jüdischen Museums Wien wurde kurz nach dem Amtsantritt von Direktorin Dr. Danielle Spera generalsaniert. Diese Sanierung konnte zur Gänze durch Sponsorengelder finanziert werden.

Im Mittelalter war Wien Heimat einer blühenden jüdischen Gemeinde, die zu den größten und bedeutendsten in Europa zählte. Hier lehrten und wirkten berühmte Rabbiner und machten Wien zu einem Zentrum jüdischen Wissens. All das fand 1420/21 durch die Vertreibung und Ermordung der Wiener Juden ein abruptes Ende. Die 1995 unter dem Judenplatz ausgegrabenen Überreste der damals zerstörten Synagoge geben Zeugnis vom Gemeindeleben und dessen Vernichtung. Heute werfen neue Quellen, wissenschaftliche Erkenntnisse und architektonische Funde ein detaillierteres Licht auf das Leben in der mittelalterlichen Judenstadt.

Das Präsentationskonzept im Museum Judenplatz umfasst mehrere Stationen: Die Synagoge wird als zentraler Ort jüdischen Glaubenslebens, aber auch als Ort der innerjüdischen Gerichtsbarkeit, der Administration und des Lernens vorgestellt. Der spezifische Ort der mittelalterlichen Judenstadt wird anschaulich erklärt und die baulichen Elemente, die die Judenstadt als solche definiert haben, dem Publikum präsentiert. Thematisiert werden auch die Berührungspunkte zwischen Juden und Christen. Auch die Rolle einzelner Personengruppen wird in den Ausstellungsstationen aufgegriffen. Diese Stationen folgen einem Ablauf von fünf Elementen: Lesetext, Bild, Objekt oder Objektgruppe, Hörtext mit Quellenzitaten und einem Dokument zum jeweiligen Thema. Die Dokumente zeugen von einem vielfältigen jüdischen Leben in Wien, von der Zerstörung dieses Lebens, von der Auslöschung der Wiener jüdischen Gemeinde, der so genannten „Wiener Gesera“ 1420/21, und vom Umgang der Mehrheitsgesellschaft mit den kulturellen Leistungen der jüdischen Gemeinde. Eine computeranimierte Rekonstruktion der mittelalterlichen Wiener Synagoge und ein virtueller Rundgang durch die mittelalterliche Judenstadt helfen den BesucherInnen, sich das Gotteshaus und die damalige Lebenssituation vorstellen zu können.

„Lady Bluetooth. Hedy Lamarr“ ist von 27. November 2019 bis 10. Mai 2020 im Museum Judenplatz (Jüdisches Museum Wien) zu sehen. Zu der von Andrea Winklbauer kuratierten und von Schubert und Schuberth gestalteten Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog zum Preis von 18€ im Eigenverlag mit zahlreichen Abbildungen.

Das Museum Judenplatz (Judenplatz 8, A-1010 Wien) ist von Sonntag bis Donnerstag von
10 bis 18 Uhr, Freitag von 10 bis 14 Uhr (Sommerzeit 10 bis 17 Uhr) geöffnet.
Weitere Informationen unter www.jmw.at oder info@jmw.at

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